Unter unserer neuen Rubrik „Im Gespräch mit …“ kommen unsere Unternehmer zu Wort und sprechen über ihr Unternehmen, die wirtschaftliche Lage, die Branchenperspektiven und Privates. Lesen Sie regelmäßig spannende Interviews von Persönlichkeiten der regionalen Wirtschaft und nehmen Sie Einblick in die Arbeit unserer Unternehmen.
In der ersten Ausgabe steht Arndt Dung, Geschäftsführer der Flohe GmbH, Castrop-Rauxel, Rede und Antwort.
Im Ehrenamt unterstützt Arndt Dung als Vorstandsvorsitzender die Unternehmensverbände für Dortmund und Umgebung. Er ist Vorsitzender des Vorstandes des Unternehmensverbandes der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung e. V. sowie des Vorstandes des Unternehmensverbandes Östliches Ruhrgebiet e. V.
Welche Nachricht hat Sie in den letzten Wochen am stärksten berührt bzw. beschäftigt?
Ganz offen gesprochen: Es ist nicht die eine Nachricht. Momentan prasseln sehr viele Berichte und Informationen praktisch im Stakkato auf uns ein. Ob zur wirtschaftlichen Lage, zur Situation der Bundesrepublik Deutschland oder das Thema Fachkräftemangel. Generell beschäftigen mich demzufolge sehr viele Themen, die auch eng miteinander verknüpft sind.
Die Medien stellen die wirtschaftliche Lage in Deutschland häufig als dramatisch dar. Wie schätzen Sie persönlich die Lage ein?
Meine Stimmung ist, um es positiv auszudrücken, sehr verhalten. Die Zahlen, die uns diese Woche von der Landesvereinigung unternehmer nrw präsentiert wurden, sehen nüchtern betrachtet alle negativ aus. Kaum eine Branche lässt sich noch als Zugpferd bezeichnen. Persönlich schätze ich die Situation noch schlimmer ein. Wir sind wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast. Die Entscheidungen werden heute gegen den Standort Deutschland getroffen. Sie sehen das aktuell nicht in den Arbeitslosenzahlen. Die Weichen, die jetzt gestellt werden, sind erst in 12, 24 oder 36 Monaten sichtbar.
Welchen großen Herausforderungen ist unsere Wirtschaft 2024 ausgesetzt?
Die Demografie ist ein Thema. Insbesondere, da die Babyboomer erst jetzt richtig in Richtung Verrentung einsteigen. Dazu herrscht bereits jetzt ein allgemeiner Fachkräftemangel. Im Ruhrgebiet spüren wir die Auswirkungen erst jetzt so richtig, anders als beispielsweise in Süddeutschland, wo das schon länger ein Thema ist. Hinzu kommt, dass die Qualifikation der Schulabsolventen in der Breite nicht besser, sondern schlechter wird.
Branchenabhängig sind natürlich auch die weiterhin immanent hohen Energiekosten ein Thema.
Wie beeinflussen neue Technologien unsere Wirtschaft?
Grundsätzlich sehe ich das positiv. Schauen Sie sich die letzten 30, 40 Jahre an. Als der Computer eingeführt wurde, entstand die Angst, dass Arbeitsplätze verloren gehen. Die Industrialisierung beziehungsweise Automatisierung sind ebenfalls fortgesetzt worden.
Wir sprechen heute über die Industrialisierung 4.0. Am Ende des Tages ist gerade auch im Wirtschaftsleben ein permanenter Wandel vonnöten. Getreu dem Motto: „Stillstand ist Rückschritt“. So gesehen, können wir uns dem Ganzen gar nicht widersetzen. Daher müssen wir es positiv gestalten und auch begleiten.
Was nimmt aktuell besonders stark Einfluss auf unsere Wirtschaft?
Die Transformation zur CO2-freien Gesellschaft! Sie wirft ihre Schatten voraus. Die Weichen dafür werden heute gestellt. Die Erfolge beziehungsweise Resultate sehen wir erst in etlichen Jahren. Ein weiteres Thema: Wie kompensieren wir den demografischen Wandel? Und nicht zuletzt spielen Energie- und Lebenshaltungskosten immer eine Rolle.
Wie sieht die wirtschaftliche Lage in Ihrer Branche aus?
Ein Teil unserer Kundschaft kommt aus der Stahlindustrie. Diese steht vor riesigen Herausforderungen. Sie steht wirtschaftlich nicht mehr so solide da, wie noch vor fünf Jahren. Am Ende des Tages ist es ein deutsches, aber auch europäisches Phänomen. In der Stahlindustrie wird es eine Konzentration beziehungsweise Schrumpfung auf der Angebotsseite geben.
Was sind aktuelle Trends und Entwicklungen in Ihrer Branche?
Wir sind Sublieferant im Bereich der Wasserelektrolyse. Wir beliefern neben der Bundesrepublik Deutschland auch einige europäische Länder mit unseren Anlagen. Diese Anlagen werden mit einer Geschwindigkeit hochgezogen, die bemerkenswert ist. Von dieser Seite aus gesehen, ist das ein sehr interessantes Geschäftsfeld.
Was zeichnet den Wirtschaftsstandort Dortmund/Ruhrgebiet aus?
Ich komme von hier, daher kann ich sagen, dass die Menschen hier im positiven Sinne anders sind. Sie sind frei und direkt heraus. Das heißt, sie wissen genau, wo sie stehen. Damit besitzen wir ein ganz besonderes Kapital. Obendrauf spiegeln wir als Multi-Kulti-Gesellschaft im Ruhrgebiet gewisse Sachen stärker wider als beispielsweise in Süd- oder Ostdeutschland.
Wir haben eine große Transformation durch den Strukturwandel der 80er und 90er Jahre bereits hinter uns. Wir wissen, wie es geht. Damit ist gerade hier im Ruhrgebiet eine gewisse Flexibilität vorhanden.
Vor welchen aktuellen Herausforderungen steht Ihr Unternehmen?
In jüngster Vergangenheit begleitet uns insbesondere die Dauer von Baugenehmigungen. Ich möchte hier nicht mit dem Finger auf Einzelne zeigen. Aber wir haben im letzten Jahr einen neuen Hallenbau fertiggestellt. Und Sie möchten gar nicht wissen, wie lange wir auf eine Baugenehmigung gewartet haben.
Hinzu kommt die immer weiter ausufernde Bürokratie. Sei es im Arbeitsrecht, im Arbeitsschutz oder bei Genehmigungsverfahren für Ansiedlungen und Investitionen. Den Unternehmen wird immer mehr auferlegt. Das ist in meinen Augen nicht mehr zeitgemäß.
Haben KI-Technologien Einfluss auf Ihr Tagesgeschäft?
Wir befassen uns gerade im Fertigungsbereich mit dem Thema KI. Grundsätzlich halte ich das Thema für etwas zu aufgebauscht. Wenn wir den Begriff KI mit „Künstlicher Intelligenz“ übersetzen, dann ist das aktuell noch drei Level zu hoch. Es ist zurzeit eine Art intelligente Informationsgewinnung und Verarbeitung, gegen die wir uns nicht mehr sperren können. Vor allem im Bereich der Robotertechnik und Automatisierung werden uns noch viel größere Veränderungen erwarten.
Wie ist Ihr Unternehmen international im globalen Wettbewerb aufgestellt?
Wir liefern weltweit in rund 100 Länder. Der Wettbewerb ist da. In vielen anderen Ländern gibt es bessere Rahmenbedingungen, gerade im Bereich der Kosten. Dennoch: Im eigenen Land, mit eigenem Rechtsrahmen zu agieren, ist deutlich komfortabler als in einem fremden Land. Unser Standort in Frankreich zum Beispiel hat Vor- und Nachteile.
Auf der einen Seite ist die Demografie dort stabil, die Geburtenrate ist signifikant höher. Die Personalsuche gestaltet sich etwas einfacher, wenngleich die gesetzlich festgelegte Wochenarbeitszeit etwas niedriger ist als bei uns. Das führt zu leicht erhöhten Arbeitskosten. Generell lassen sich die Standorte aber nur schwer miteinander vergleichen.
Sie haben auch einen Standort in Indien. Gibt es in Indien einen Fachkräftemangel?
Der indische Markt ist anders, gerade wenn Sie an den gewerblichen Bereich denken. Sie finden sehr viele qualifizierte Experten im Software-Bereich, da sind die Inder wirklich Spitzenreiter. Anders sieht es im Handwerk aus. Da fehlt es in Gänze an Ausbildung. Nehmen wir ein Beispiel: Während in Deutschland ein Zerspanungsmechaniker die Maschine programmiert und den nächsten Arbeitsschritt selbst durchführt, weil er die entsprechende Qualifikation hat, benötigen Sie in Indien dafür zwei Menschen, die auf unterschiedliche Dinge spezialisiert sind.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche Entwicklungen würden Sie sich für Ihre Branche/Ihr Unternehmen wünschen?
Was das Unternehmen betrifft, wünsche ich mir weniger Auflagen und mehr Gestaltungsmöglichkeiten durch die öffentliche Hand.
Wie sieht Ihr Unternehmen im Jahre 2030 aus?
Mehr automatisiert und mit einer größeren Produktpalette. Wir forcieren zudem eine Ausweitung unseres indischen Unternehmens. Die Entwicklungen laufen genauso wie für den Standort Deutschland. Wir sind permanent im Wandel und wir müssen uns anstrengen. Durch KI und Automatisierung werden wir die Arbeit in Zukunft, gerade im Verwaltungsbereich, mit etwas weniger Personal schaffen können.
Wenn Sie nicht Geschäftsführer bei Flohe wären, was wären Sie dann geworden?
Es ist ein Familienunternehmen, aber mein Vater hat mich nicht gedrängt, in seine Fußstapfen zu treten oder das Unternehmen zu übernehmen. Ich habe es freiwillig gemacht. Und bis heute habe ich Freude und Lust dabei. Allerdings kann ich Ihnen – mit Ausnahme klassischer Kinder-Wunschberufe – nicht sagen, was ich theoretisch geworden wäre. Einen Plan B hat es nicht gegeben. Ich bin gelernter Maschinenbauingenieur. Wäre ich nicht ins elterliche Unternehmen eingetreten, wäre ich wahrscheinlich im Maschinenbau geblieben.
In welche Branche würden Sie gerne mal reinschnuppern und warum?
Ich würde gerne Einblicke in die Medizintechnik gewinnen. Ich glaube, dort warten spannende Herausforderungen in den nächsten Jahrzehnten, gerade in der Prothesentechnik. Das sind Dinge, die einen Ingenieur vielleicht eher interessieren als einen klassischen Mediziner.
Welche Persönlichkeit aus der Wirtschaft würden Sie gerne mal treffen und warum?
Gute Frage. Ehrlich gesagt finde ich es äußerst spannend, auf Jahrestagungen der Landesverbände Persönlichkeiten – meistens Politiker – zu hören. Es sind daher eher Politiker, die ich gerne einmal treffen möchte.
Dazu gehört beispielsweise Barack Obama. Um vielleicht mal ein wenig hinter die Kulissen zu blicken. Abseits der Politik fallen mir spontan der Dalai Lama oder auch der Papst ein.
Welches Buch/Magazin/Podcast, das bzw. den Sie zuletzt gelesen, gesehen oder gehört haben, ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Wenn ich im Auto sitze, höre ich in der Regel zwei wöchentliche Podcasts. Zum einen „Der Machtwechsel“ mit Robin Alexander und Dagmar Rosenfeld und zum anderen „Macht und Millionen“ vom Business Insider, bei dem es um interessante Hintergrundgeschichten geht. Robin Alexander hatten wir schon einmal bei uns im Verband zu Gast; ein sehr guter Referent.
Was ist Ihr liebstes Reiseziel und was schätzen Sie dort am meisten?
Ich habe etliche Länder dieser Welt gesehen und finde viele spannend sowie interessant. Privat bin ich wahrscheinlich am häufigsten in den USA gewesen. Vor allem die Landschaft im mittleren Westen ist echt ein absolutes Highlight, das man in Europa in dieser Form nicht findet. Zudem kann ich Japan sehr empfehlen, aber auch viele andere Länder sind eine Reise wert.
Haben Sie ein besonderes Hobby, von dem Sie auch beruflich etwas lernen können?
Nur sehr bedingt: Meine Modeleisenbahn vielleicht – wir liefern unter anderem auch an einen Lokomotivhersteller. Wenn man den Kunden besucht und die Modelle in echt sehen kann, ist das manchmal sehr interessant (lacht).
Haben Sie einen Sehnsuchtsort, den Sie gerne mal besuchen würden?
Ich möchte gerne mal nach Bhutan, Namibia, Botswana oder auf die Osterinseln. Es gibt noch eine Menge Ziele, die meine Frau und mich reizen.
Würden Sie das Unternehmertum nochmal genauso angehen?
Als Unternehmer muss man sich grundsätzlich und permanent hinterfragen – geschäftlich wie privat. Ich habe drei Kinder und einen Teil ihres Aufwachsens habe ich verpasst. Unternehmertum bedeutet, Entbehrungen in Kauf zu nehmen, die ein Arbeitnehmer in dieser Form nie sieht. Man hat nicht nur die Verantwortung für sich selbst und die eigene Familie, sondern auch für die Mitarbeitenden und ihre Familien. Das macht in meinen Augen den Mittelstandsunternehmer aus, dass er die Verantwortung übernimmt. Das wird leider vielfach nicht gesehen. Dennoch muss man das als Unternehmer grundsätzlich positiv sehen.
Wie bewerten Sie den Wandel in der Unternehmenskultur?
Jede Persönlichkeit muss ihren eigenen Stil finden. Es wird vielfach ein Rezept vermittelt, wie man sich und das Unternehmen darstellen soll. Ich persönlich halte von einem generalistischen Ansatz nichts. Jedes Unternehmen hat eine eigene DNA, diese muss man leben. Jeder CEO oder jeder Geschäftsführer muss seinen eigenen Stil finden, ob er dann zum Unternehmen passt, ist eine ganz andere Frage. Aber ohne eigenen Stil kann das Unternehmen nicht erfolgreich sein.
Foto-Hinweis: Hero-Bild von Matthias Wagner auf Unsplash